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Von Damaskus nach Jordanien
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Jetzt sind es nur noch knapp 100km zur syrisch/jordanischen Grenze. Diese Entfernung kommt uns mittlerweile schon fast vor wie ein Katzensprung. Ehrlich gesagt bin ich auch etwas traurig, dass ich dieses wirklich wunderbare Land schon wieder verlassen muss. Aber wir haben ja einen strammen Zeitplan. (Später werden wir uns darüber ärgern, dass wir hier nicht länger geblieben sind, denn das Frachtschiff kam dann tatsächlich doch viel später als angekündigt. Wir hätten locker noch 1-2 Tage in Syrien bleiben können.)
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Vor der ersten jordanischen Grenzabsperrung hat sich ein großer Menschenauflauf gebildet. Schon von weitem sehen wir einen Pulk wild gestikulierender Araber. Wir nehmen Tempo raus und fahren etwas langsamer auf die Menschentraube vor dem verschlossenen Stahltor zu. Als die Grenzer hinter der Absperrung uns sehen, geben sie uns durch ihre Gesten von weitem zu verstehen, dass wir möglichst zügig dadurch fahren sollen. Das Stahltor wird nur ganz kurz, etwa 1,5m breit aufgeschoben, zwei Beamte mit MP´s bahnen uns eine schmale Gasse und wir heizen da rein. Sofort nach uns wird das Tor wieder blitzschnell geschlossen. Was da genau los war haben wir nicht erfahren, aber irgendwie haben die jordanischen Grenzbeamten uns durch ihr wildes Gestikulieren klar gemacht, dass es besser ist hier jetzt nicht anzuhalten. Nach einem kurzen Stück Niemandsland kommen wir zur jordanischen Grenzabfertigung. Anders als in Syrien findet die Abfertigung hier nicht in einer einzigen großen Halle statt. Hier gibt es einen großen Platz und drum herum, für jede Formalität, eigene kleine Nebengebäude. Es dauert mal wieder alles sehr lange.
Ich sitze in einem kleinen, sehr schäbigen Büro an der syrisch/jordanischen Grenze. Habe immer stärker mit übelsten Magenkrämpfen und Flitzkacke zu kämpfen. Der Beamte mir gegenüber ist eigentlich dafür zuständig uns eine Kfz-Versicherung zu verkaufen. Er ist sehr freundlich, geht jedoch überaus entspannt an die Arbeit. Zuerst schlaucht er ein paar selbst gedrehte Zigaretten von mir. Dann werden wir ausführlich befragt, nach Herkunft, Beruf, Familienstand, Reiseziel etc. Das Gespräch ist aber nicht unangenehm, teilweise durchaus auch lustig. Durch die Scheibe sehe ich wie draußen auf einmal ein kleiner Tanklastwagen vorbeifährt und die komplette Grenzstation mit einem weißen Nebel einsprüht. Unsere Mopeds, die direkt daneben stehen, die Klamotten und die Helme gleich mit. Sieht aus wie bei einem Pestizid-Flugzeug das einen Acker besprüht. Die ganze Grenze ist von weißem Nebel eingehüllt, man sieht die Hand vor Augen nicht mehr. Der Beamte erklärt mir dass es sich um ein Insektenvertilgungsmittel handelt, und sie so die Fliegen vertreiben wollen. Das würde auch für 1-2 Tage funktionieren. Seit dieser Aktion hatten meine Klamotten einen seltsamen süßlichen Geruch. Aber Insektenstiche habe ich auf der Tour auch keinen einzigen mehr gehabt. Nach etwa 4 Stunden ist das Grenzprozedere erledigt und wir sind in Jordanien. Es beginnt schon wieder zu dämmern. Ich kann nicht mehr. Die Magenkrämpfe sind so schlimm geworden, dass ich die Kollegen bitte doch die nächstmögliche Unterkunft anzusteuern. Die Jungs zeigen wirklich höchstes Verständnis für meine Situation und versuchen eine Unterkunft zu finden. Das ist in Nord-Jordanien einfacher gesagt als getan. Denn außer in Orten mit touristischen Anziehungspunkten gibt es schlicht keine offiziellen Übernachtungsmöglichkeiten. Irgendwo in einem sehr hässlichen Vorort von Irbid bekommen wir von einem sehr freundlichen Jordanier eine Unterkunft angeboten. Er ist gerade dabei ein Häuschen zu bauen und wir könnten in einer art Rohbau pennen. Es ist allerdings auch extrem siffig hier. Den Gesichtern der Kollegen sehe ich an, dass sie hier lieber nicht bleiben möchten. Die einzige Alternative ist, noch ein gutes Stück weiter zu fahren. Obwohl es mir echt ziemlich dreckig geht, beschließe ich mich zu überwinden und sage dass wir weiter fahren wollen. Inzwischen ist es dunkel geworden.
Den Rest der Strecke habe ich nur noch wie in Trance erlebt. Die Magenkrämpfe waren dermaßen schmerzhaft. Ich habe versucht eine Position zu finden in der es erträglicher wird. Liegend auf dem Tankrucksack, dass Kinn auf der Verkleidungsscheibe, bin ich einfach immer nur Rugards Rücklicht gefolgt. Die Fahrt bis nach „Umm Qais“ kam mir vor wie eine Ewigkeit. Von der Umgebung habe ich nichts mehr mitbekommen.
In Umm Qais gibt es wirklich ein Hotel. Aber auch genau eins. Wir ergattern ein kleines schäbiges 3-Mann Zimmer unterm Dach. Ich habe solch elende Magenschmerzen, dass ich nur gerade noch so die Treppen hochkomme und mich sofort hinhaue. Die Jungs schleppen meinen Kram hoch. Rugard und Werner haben einen Restaurantbesitzer kennen gelernt, mit dem sie losziehen und den Abend verbringen.
Jetzt liege ich hier, alleine am Arsch der Welt und fühle mich auch ungefähr so. Der junge Hotelbesitzer ist sehr freundlich und umsorgt mich mit allerlei Hausrezepten gegen Magenbeschwerden. Von irgendwoher wird sogar echte Coca-Cola organisiert sonst gibt es in Syrien meist Pepsi. Ich hatte zwar gar nicht danach gefragt, und mir war auch eigentlich nicht danach, aber unaufgefordert bekomme ich die literflaschenweise ans Bett geliefert. Ich habe später erst begriffen das „echte Coca-Cola“ wohl in dieser Gegend etwas Besonderes ist. Die Leute hier geben sich wirklich alle erdenkliche Mühe mir zu helfen. In meinem Zustand kann ich das leider nicht wirklich würdigen aber ich denke: „Diese Gastfreundschaft, einem Ausländer gegenüber, ist schon unglaublich. So etwas habe ich bisher noch nicht erlebt. Da sollte man sich eine Scheibe von abschneiden.“ Deshalb verzichte ich auch darauf, die hygienischen Zustände dieser Herberge näher zu erläutern. Von den Sanitäranlagen werde ich gar nichts erzählen. Auch nichts von Insekten. Ohne prahlen zu wollen, würde ich mich gegenüber Schmutz, Dreck und anderen unhygienischen Konfrontationen, als relativ unempfindlich einstufen. Man macht ja immer wieder neue Erfahrungen auf so einer Tour. (z.B. als Werner mir offerierte er hätte versehentlich vor ein paar Tagen mal meine Zahnbürste benutzt - „Na und ?“) Aber nach einigen Überlegungen, und der Studie des Getiers das über die grün gestrichene Zimmerdecke huschte, die ich die ganze Zeit bei einer flackernden Neonröhre anstarrte, kam ich zu dem Schluss: „Es ist am sichersten in den kompletten Mopedklamotten zu pennen.“ Die sind einigermaßen dicht, und man kommt mit dem Bett so gut wie nicht in Berührung.
Die Tür geht auf und der syrische Hotelbesitzer bringt eine große Tasse einer trüben, zähflüssigen, braunen, dampfenden Flüssigkeit, mit ein paar festen Elementen drin. Er sagt er habe mir einen Tee mit speziellen Hausmitteln zubereitet, danach wären am nächsten Morgen garantiert alle Beschwerden weg. Altes syrisches Hausrezept. Ich bedanke mich und frage mich lange ob ich das wirklich verinnerlichen soll. Eigentlich bin ich ein "Tee-Hasser", aber in diesem Moment ging es mir so dreckig, das ich mir das zähflüssige Zeug komplett rein gezwungen habe.
Die gesamten Geschmacksnoten des Orients, gepaart mit dem taste alter Socken sind in dieser Tasse vereint. Als sich die flackernde Neonröhre an der Decke langsam verschwommen darstellt, frage ich mich noch was da wohl sonst noch alles so drin war.
Dann penne ich endlich ein und bekomme nur noch aus weiter Ferne mit dass irgendwann Werner und Rugard auch wieder da sind.
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